Aliza Mandel 1927-2007

Ein Leben für die Kunst

Wer Aliza Mandels Lebensgeschichte liest, wundert sich nicht über die Schwierigkeit, deren Kunstschaffen in der regionalen oder internationalen Kunstszene zu bestimmen.

     

Die Künstlerin hat, bedingt durch das Schicksal vieler Juden um die Kriegszeit, eine lange Odyssee hinter sich. Dieser weite Umweg aber ermöglichte ihr auch vielfältige Werkschauen auf dem Gebiet der Kunst zwischen Rom, Jerusalem und New York.

Der häufige Wechsel des Wohnortes, das Eintauchen in verschiedene Länder, Kontinente, Kulturen, Offenheit gegenüber aktuellen Strömungen; die Vielseitigkeit auch innerhalb der einzelnen Kunstdisziplinen, haben deren Schaffen über mehr als sechs Jahrzehnte hindurch geprägt.

So finden wir in ihrem Oeuvre die Inhalte und Ausdrucksformen einer globalisierten Kunstwelt, in der keine Technik oder künstlerische Ausdrucksform vorherrschend ist, sondern die verschiedensten Nuancen in Malerei und Skulptur, ansatzweise auch in der Fotografie, sich miteinander vermischen.

Mandels Werke befinden sich in Kirchen, Klöstern, Privatbesitz – in Italien, Deutschland, in den Vereinten Staaten von Amerika.

Eine Kurzcharakteristik des umfangreichen Lebenswerkes fällt angesichts der großen Vielfalt nicht leicht.

Der Vater, Juwelier und Uhrmacher, die Mutter, eine sehr kultivierte, geistig interessierte Geschäftsfrau, haben ihrer Tochter das künstlerische Gespür nicht mit in die Wiege gelegt. Aber bereits in der Schule bei den Englischen Fräuleins in Meran hat das junge Mädchen gerne gezeichnet und gemalt.

Schon früh erlernte sie in der renommierten Bezallel School of Arts and Crafts in Jerusalem bei Lehrern des frühen Bauhaus, die Kunst als Handwerk von der Pieke auf. Portraits und ein modellierter Kopf aus Lehm haben ihr die Türen zu dieser angesehenen Kunstschule geöffnet. Hier durfte sie einem berühmten Silberschmied beim Erstellen eines Thoraschrankes zur Hand gehen und es wurden die ersten Spuren für den künstlerischen Werdegang des sensiblen, zielstrebigen jungen Mädchens gelegt.

Die Studienjahre der Malerei von 1949 bis 1951 an der Kunstakademie von Venedig haben eine weitere Basis für spätere malerische Werke der Künstlerin gebildet. Hier befasste sie sich mit befasste sie sich mit verschiedenen Techniken der Malerei.

Den Weg zur Bildhauerei fand sie 1951 bis 1953 in Florenz, wo sie von der Malklasse, in der sie sich künstlerisch nicht genügend motiviert fühlte, in die Bildhauerklasse wechselte.

In weiteren Jahren in Stuttgart haben Studium und Mitarbeit an der Metallklasse ihr Know How im Bereich der Kunst erweitert, so entdeckte sie auch ihre Liebe zum Erdmaterial Ton. Vasen entstanden, die an der Frankfurter Messe gezeigt und vervielfältigt wurden.

Beim anschließenden vierjährigen Aufenthalt in Rom (1955 bis 1959) erhielt die Künstlerin durch weitere Studien und Preise Bestätigung in ihrer Berufung als Malerin.

Maßgeblich geprägt haben Aliza Mandels Schaffen auch Giorgio Morandi mit seinen zartfarbigen Stilllebenaus alltäglichen Gegenständen wie Krügen und Flaschen.

In den Jahren 59 bis 75 perfektionierte sie ihre Studien in New York an der Brooklyn Museum Art School und eröffnete auf Anraten eines Architekten, mit dem sie zusammenarbeitete,1961 ein eigenes Studio für Liturgische Kunst.

Sie erhielt nicht allein Aufträge für lebensgroße Skulpturen von Heiligen – wir finden Madonnen in ganz unterschiedlichen Stilen. Sie stellt St. Francis dar, den Heiligen Franziskus solo, mit Wolf, die Heilige Familie, den Heiligen Josef, andere Heilige, die ihre Auftraggeber, speziell das Seminar von Buffalo, von ihr bestellten. Aber ebenso Altäre, eine ganze Kapelle, die von ihr ausgestattet wurde, auch Brunnen, solide Kreuzformen, Säulen: Kunst am Bau, Aufträge wie sie die Künstlerin auch in anderen Städten, speziell hier in Südtirol, später ausführte.

Besonders beeindruckt hat eine Skulptur, die sie in New Mexico (USA) schuf, eine lebensgroße, sitzende Indianermadonna, eine Frauengestalt mit klassischem Profil, in stilisierter Ausführung, für die ein vierzehnjähriges Mädchen mit Indianerblut aus einem Dorf bei Santa Fe Modell saß. Mandel war nach New Mexico berufen worden, um als Malerin und Bildhauerin zu arbeiten und gründete dort „The Art School“. Zweimal gewann sie den Wettbewerb für „Artists in Residence“. Sie war dort nicht allein Lehrerin, sondern bot auch Workshops mit berühmten, einheimischen Künstlern an.

Es entstanden ihre größeren Triptycha und auch kleinere Bilder in Öl auf Leinwand, in verschiedenen Nuancen von Wasser und Luft, in Erdfarben und kraftvollen Sonnentönen, in Braun, Orange, Rot. Dramatische Sonnenuntergänge, transformierte, übersetzte Natur: Hügel, Zäune, Klöster, die besonders in Santa Fe die Künstlerin faszinierten – Schöpfungsakt parallel zur Natur. Dabei brachte sie immer mehr ihre ganz persönliche Sicht der Dinge auf Leinwand und Papier, abstrahierte, ließ Unwesentliches weg, bis nur mehr Bögen, Linien, Farben und die grundlegende Erfassung der Beziehungen zwischen Linie und Fläche im Bildraum als zentrales Anliegen blieb. Es entstanden transparente Collagen, aber auch konkrete Stillleben mit Flaschen, Vasen, Schalen, unter dem Einfluß von Morandi in eigener Auslegung, mit Blumen, Obst, Schnecken und Muscheln in zarter Chromatik, feinen Schattierungen, kunstvoller Technik. Malerische Herausforderung das Licht des Perlmutts, die Drehung der Muscheln, die Schattierungen von Holz und Seide, Kupfer, Messing und all den anderen Materialien, die die Künstlerin in ihren Bildern in den USA, aber auch später, besonders zurück in Florenz und Meran, immer wieder aufnahm.

Später empfindet sie ihre Stillleben immer mehr als Studien, die sie stilisiert und von denen sie zu größerer Freiheit gelangen will. Natur und Landschaft sind stets Basis der Arbeiten Aliza Mandels geblieben.

Dazwischen entstanden Auftragsportraits von starker Ausdruckskraft in verschiedensten Techniken. Auch ein Portrait von Südtirols Landeshauptmann Luis Durnwalder, gemalt nach einem Archivbild für eine Werkschau in der Volksbank Kunstgalerie.

Faszinierend sind die Landschaftsbilder, gemalt vor Ort oder als Erinnerung an die jeweiligen Aufenthaltsorte: Der Blick aus dem Fenster der Villa Ruspoli in Florenz, Terracottatöpfe, die Bäume einer Allee und subtile Landschaft im Hintergrund, oder ein Ausschnitt aus Dorf Tirol, ebenso die immer abstrakteren Landschaftsbilder, wo häufig nur mehr Farbfelder, die – bald laut, bald leise – von einem besonderem Licht durchflutet sind.

Die Seascapes, Waves, Hügellandschaften der späten siebziger und frühen achtziger Jahre, oder Berge und Hügel im Spannungsfeld zwischen Leichtigkeit und Konkretheit, streng lineare Figuren, die sich in Licht auflösen. Sie kehrt in ihrer alten Heimat Meran zur realistischen Malerei zurück, um weiterzuziehen zu abstrakten Bildern, die sich verdichten, immer mehr verinnerlichen, mit metaphorischen, realistischen Sujets, wie das Diptychon der Meran Flora.

Neue Komponenten treten in den späteren Meraner Bildern hinzu: semantische Hinweise, Psalmen und hebräische Schrift verleihen Spannung; religiöse und architektonische Elemente fügen sich zu neuen Sinneserfahrungen. Gerne hält Aliza Mandel in der nicht zu unterschätzenden Technik des Aquarells schnelle Beobachtungen, Eindrücke, Empfindungen, fest.

Nach 87 entstehen biblische Bilder wie„Tohu“, in dunkeln Feldern Wolken und Berge, das große Chaos vor der Erschaffung der Welt.

Aber auch die Welt der Grafik prägte stets Mandels Schaffen. Da wachsen Baumstamm und Gartenbank aus Skalen von gelbroten und gelbgrünen Farbfeldern, eingerahmt durch die Enden zarter grüner Zweige. Auf Kreise, Bögen, Rechtecke öffnen sich Fenster, Rosetten, Säulen: Hommage an Brunelleschi, Erinnerungen an die Toskana. Berge, Bögen, Spiralen lösen sich in Licht auf, werden zum Bild.

In der Ausstellung „Other Dimensions“ malt sie feine Stadtansichten, zarte Spitzen, Monde, Sterne und Sonnen. Im Versuch Kosmisches darzustellen, bringen in dieser Schaffensphase Regenbogenfarben malerische Spannung in die Bilder.

Da entsteht Tiefenwirkung durch klaren tektonischen Aufbau, ist die Komposition auf eine einfache geometrische Form beschränkt und der Hintergrund gegliedert; Farbe dient immer wieder als gestalterisches Mittel, ob in Meereswogen aus Sand, Weite, oder zu Malerei gewordenen Melodien.

Ein Fisch (Ichtios) in Farbfeldern wird zur Metapher des Lichts, strahlt visuelle und emotionale Harmonie aus. Wieder spielt die Künstlerin mit Möglichkeiten des Sehens und Verbergens in mehreren zusammenhängenden Bildern. Besonders die Triptycha aus übergroßen Tafelbildern spiegeln die Auseinandersetzung mit subjektiven tion wider: Bögen, Striche, Farben, Wellentäler, Regenbogenschleier, Baumketten in irdener oder himmelfarbener Chromatik laufen aus dem Hauptbild in Nebenbildern aus.

Mandel arbeitet mit sicherem Strich, guten Proportionen und klarer Perspektive, speziell in ihren Skizzen und Zeichnungen und nicht minder in ihren vielfältigen Maskendarstellungen. Immer wieder bringt sie in ihre Arbeiten auch die Erfahrung als Bildhauerin subtil mit ein: Körper werden von innen modelliert, Farbe wird zum Lichtträger.

So geht ihre Kunst ganz im Sinne Paul Klees von einem konkreten und fassbaren Subjekt aus, endet in einem Schaffen, das die bloße Wirklichkeit übersteigt und mündet in Metaphern. Jede Arbeit ist für sie ein neues Experiment.

2004 gründete sie mit einer Gruppe Künstlern, Architekten und einem Theologen „Arx – internationales Zentrum für Kunst und Spiritualität“. Für ihre poetischen Kompositionen holte sie sich auch Anregungen aus Salzburg, wo sie im Oktober 2005 bei einem einmonatigen Aufenthalt als Austausch – Künstlerin neue Impulse sammelte.

Aliza Mandels Credo ist, dass in jedem Menschen Kreativität schlummert, man müsse sie nur erwecken. „Nichts in meinem Leben ist zufällig geschehen; alles ist mir zu – ge –fallen.“

Ilse Thuile

 

Vita per l’arte

Proveniente dal centro Europa, dopo la nuova diaspora imposta dal nazifascismo, Aliza Mandel frequenta l’accademia di Venezia e quella di Firenze per apprendere la pittura. Si porta poi a Gerusalemme dove continua gli studi e poi approda, per un lungo periodo, a Santa Fe (Nuovo Messico, USA) per esercitare la sua professione di pittrice dopo un attivo soggiorno a New York, dove pratica la scultura in unione con architetti del luogo e lavora ad edifici sacri e profani. Altre ragioni la risospingono verso l’Europa, a Merano dove allestisce questa mostra (Galleria della Banca Popolare) che il pubblico ha molto gradito e della quale, come critico, mi sembra interessante dire qualche cosa. Manifesta, certo, qualche eclettismo, passando dal figurativo all’astratto, nei vari momenti della sua avventura, come muovendosi secondo alcune suggestioni centrali della tradizione pittorica europea.

Tuttavia, nelle diverse tecniche e maniere, sia che si tratta di “nature morte” recenti, benissimo identificabili, sia di cose astratte di varie epoche, ciò che colpisce resta il lavoro ben fatto ed una intensità di fondo che potremmo anche chiamare poesia. Si avvertono cioè, le tanto vicissitudini, alle quali l’artista vuole sfuggire creandosi un luogo del sogno e della difesa, oppure, se preferite, tracciando le linee di un suo ordine personale nel caos del circostante. Punto di partenza pittorico, sempre il gusto, lo studio del colore, sia espresso in campiture piene, continue, sia come sfaccettato e ricomposto sulla tela, attraverso il gioco delle allusioni cromatiche, che come si è vista fare da maestri certo di non scarso peso, affascinati dal gioco dello spettro e della continua mutevolezza dei colori. La Mandel, spesso in piccoli dipinti, ci lascia esempi rari di queste tessiture e scacchiere, dove il colore resta solo una sintesi tra le tante tinte accostate, velate, sovrapposte, ad indicare i mutevoli stati d’animo di una storia europea così complessa, così come una esistenza femminile, tesa verso certi ideali e, nello stesso tempo, così convulsa nelle circostanze.

Questo “spirito di chiarezza”, questo ordine e questa pulizia, vengono infatti da un personaggio che ha sofferto, nella sua famiglia, e quindi su di sé, le più atroci vicende della storia contemporanea ed è riuscito, negli anni, a decantare queste suggestioni, fino a descrivere il contrario di ogni dolore con la dolcezza del gesto tecnico, nel suo specifico, e l’intensità di una intelligenza che rifiuta la natura “altra”, deteriore, nefanda.

Luigi Serravalli – da un articolo pubblicato dal quotidiano alto adige il 21.09. 1990